Professionalisierung
Wie professionalisieren sich ehrenamtliche Projekte?
Seid euch bewusst, dass Professionalisierung ein toller, aber auch kritischer Moment ist. Redet mit allen Beteiligten frühzeitig; steckt Erwartungen klar ab, seid auch bei unangenehmen Punkten ehrlich zueinander. Macht regelmäßig Zwischenevaluationen! Mehr Details hierzu im zugehörigen Lexikoneintrag.
Manche Projekte sind von vornherein darauf ausgelegt, dass Menschen damit ihren Lebensunterhalt bestreiten und andere sind von Grund auf so geplant, dass kein Geld fließen soll. Aber oft beginnt etwas als Projekt einer Gruppe von Ehrenamtlichen. Die Summen sind nicht groß, einen Teil kriegt man über Fördergelder, hin und wieder schießt jemand privat etwas hinzu und falls wirklich einmal etwas hängen bleibt, gehen alle gemeinsam davon essen.Irgendwann gibt es immer mehr zu tun und ein paar besonders Engagierte investieren immer mehr Zeit, ziehen ein bisschen größere Beträge für ein bisschen größere Projekte an Land und alle finden es super.
Professionalisierung entsteht oft langsam, und ist das Ergebnis des Wachstums, keine geplante Entwicklung.Aber man merkt auch schon, dass sich eine Hierarchie einschleicht: Jene, die viel machen, wissen auch am meisten Bescheid. Außerdem merkt ihr, dass ihr eure Struktur anpassen müsst, wenn ihr so große Projekte (die ja auch alle toll finden, hoffentlich!) gerissen kriegen wollt. Nur logisch, dass der engagierte Kern in der neuen Struktur mehr ins Zentrum rückt; schließlich wissen und machen sie am meisten und die Abrechnung geht schneller, wenn alles über einen Tisch läuft. Oft kommt dann der Moment, wo es um die Schaffung der ersten bezahlten Stellen geht. Nicht, weil irgend jemand gierig wäre und den ehrenamtlichen Spirit verraten möchte, sondern weil der Zeitaufwand für die Größe der Projekte und den Grad an Professionalisierung, den ihr langsam erreicht, zu hoch wird, um ihn nebenbei zu machen.
Wer kriegt den Job?Manche Projekte fiebern schon ewig auf diesen Punkt hin, wo die Mitstreiter*innen endlich von ihrer Arbeit leben können, bei anderen Gruppen verläuft der Prozess manchmal recht schmerzhaft. Wer soll die bezahlte Stelle kriegen und Geld für die Arbeit bekommen, die alle anderen schon viele Jahre ehrenamtlich machen? Und was „schuldet” diese Person dem Kollektiv, soll sie nun all das machen, worauf die anderen keine Lust haben, oder hat man sich im Gegenteil eine*n Spezialist*in gesucht, die in ihrer bezahlten Zeit auch bitte schön nur die Spezialaufgaben machen soll, die sonst niemand kann?
Nicht alle Projekte brauchen bezahlte Kräfte; manche schaffen riesige Projekte nur mit Ehrenamtlichen, andere Projekte brauchen zwingend eine bezahlte Struktur.Manche Projekte schaffen über viele, viele Jahre Großartiges, ohne je bezahlte Mitarbeiter*innen zu haben. Andere Projekte aber können langfristig nur überleben, wenn es bezahlte Stellen gibt. Und die Aussicht, dass manche von euch dafür bezahlt werden könnten, etwas zu tun, von dem sie so vollständig überzeugt sind, dass sie es sogar umsonst getan haben, ist großartig! Der Prozess dahin ist sicher herausfordernd, und läuft wahrscheinlich bei jeder Gruppe anders ab. Gute Kommunikation ist sicher besonders wichtig, gerade bei Geld-Dingen. Geht keine faulen Kompromisse ein, die euch mit einem unguten Gefühl zurück lassen, nur um der leidigen und unangenehmen Diskussion über Geld aus dem Weg zu gehen! Gerade bei Projekten aus dem alternativen Spektrum ist die Gefahr groß, aus Harmoniebedürfnis Konflikte nicht offen anzusprechen.