Darauf hat nachvollziehbarer Weise niemand wirklich Lust: das Projekt ist vorbei, und das ist auch gut so: Gegen Ende hat es sich doch etwas gezogen, und jetzt ist es höchste Zeit, auch endlich einmal wieder Wäsche zu waschen und etwas für die Uni zu machen. Stattdessen soll jetzt jemand die blöde Abrechnung machen und Leuten hinterherlaufen, damit sie endlich, endlich ihre Kassenzettel vorbei bringen?!
Ja, nervig, aber wirklich wichtig. Wenn ihr eine juristische Person seid (e.V., GbR o.ä.) müsst ihr das für eure Steuererklärung ohnehin machen. Aber auch, wenn ihr als freies Kollektiv oder Gruppe von Freund*innen mit Fördermitteln gearbeitet habt, ist das verdammt wichtig. Zum einen habt ihr gratis Geld von eurem Fördermittelgeber bekommen; eine pünktliche, ordentliche Abrechnung und eine Dokumentation mit ein paar schönen Fotos ist das Mindeste, was ihr dafür zurückgeben könnt! Zum anderen zeigt sich in der Abrechnung, ob ihr verlässliche Partner*innen für zukünftige Projekte seid. Auch die Fördermittelgeber müssen belegen, was mit den Geldern passiert ist – so wie ihr euren Mitstreiter*innen wegen der Kassenzettel hinterherlauft, so müssen die Fördermittelgeber euch und allen anderen Projekten hinterherlaufen. Und so sehr, wie euch das auf den Wecker geht, geht es ihnen auf den Wecker – bis sie beim nächsten Mal nicht mehr mit euch arbeiten wollen. Geheimtipp: gerade bei Projekten aus dem alternativen Spektrum rechnen manche Fördermittelgeber schon damit, der Abrechnung nachlaufen zu müssen. Wenn ihr hier pünktlich eine ordentliche Abrechnung einreicht, habt ihr schnell einen dicken, dicken Stein im Brett!
Wie man die Abrechnung am besten macht, lässt sich hier nicht sagen, je nach Projekt, Akteur*innen und Fördergeldern ändern sich die Strukturen. Überlegt euch rechtzeitig eine*n Verantwortliche*n, redet gleich am Anfang mit euren Fördermittelgebenden und vielleicht einer Steuerberater*in; vielleicht habt ihr ja auch eine*n Buchhalter*in im Bekanntenkreis. Je besser eure Struktur, desto weniger Ärger habt ihr damit.
Achtet unbedingt darauf, wie ihr gegenüber anderen auftretet, beispielsweise Eigentümer*innen, Stadtverwaltung, Ordnungsamt – v.a. denen, über die ihr euch eh schon nicht freut. Erstens könnt ihr davon ausgehen, dass ihr als ehrenamtliches Projekt weniger Ressourcen, Geld und Zeit habt als alle Anderen – ihr sitzt also meist am kürzeren Hebel.
Was aber noch wichtiger ist: wenn ihr freundlich und lösungsorientiert auftretet, sind andere viel eher geneigt, euch zu helfen, und wir alle brauchen ständig Hilfe. Zeigt, dass ihr deren Sorgen ernst nehmt – egal, ob ihr sie wirklich immer nachvollziehen könnt. Vielleicht kriegt die Person vom Fachbereich Ordnung Probleme, wenn der Antrag nicht genau in dieser oder jener („völlig unsinnigen, das sieht doch ein Blinder!”) Form ausgefüllt ist. Und jetzt muss sie eben von euch verlangen, dass ihr noch diesen oder jenen (komplett überflüssigen!) Nachweis bringt. Ihr könntet jetzt unfreundlich werden, bis sie auf stur stellt. Oder ihr erzählt ihr, dass ihr das auch nicht alle Tage macht (ist ja auch nervig für sie, euch alles zu erklären, wenn sie sonst eher mit Profis arbeitet), dass ihr euer Möglichstes tut, um die Sache für alle problemlos über die Bühne zu bekommen, und dass ihr sehr dankbar wärt, wenn sie euch kurz sagen könnte, wo man den Nachweis am besten her bekommt, weil ihr es leider noch nie gemacht habt! Dazu muss man manchmal seinen Zorn (“Unfähige Verwaltung! Praxisferne Schreibtischgestalten, selbst nix bewegen, aber anderen Vorschriften machen!”) herunterschlucken. Zwar lässt sich nicht jedes Herz auf diese Weise erweichen, aber insgesamt haben wir mit diesem verständnisvollen, kompromissorientierten Auftreten die besseren Erfahrungen gemacht. Wer kein Geld hat, muss Freunde haben!
Zu guter Letzt: wir alle haben in der Arbeit, der Uni oder wo auch immer mit unangenehmen Menschen zu tun. Oder angenehmen Menschen, die gerade einen blöden Tag haben. Lasst uns versuchen, Teil der Lösung zu sein und nicht Teil des Problems!
Gelegentlich werdet ihr vielleicht den Vorwurf hören: „Ihr seid ja noch nicht mal aus dem Viertel”. Wenn ihr dann sagen könnt: „Doch. Und meine Eltern auch, und alle vier Großeltern!” dann wunderbar. Wenn ihr keine quartiersgebundene Arbeit macht, kommt vielleicht der Vorwurf, ihr wärt nur eine „Bande von Studierenden” oder was auch immer – irgend jemand mag nicht was ihr tut, und will klarstellen, dass er/sie das deutlich größere Recht hat, in diesem Viertel aktiv zu sein und beispielsweise den öffentlichen Raum zu nutzen – oder auf ungenutzten öffentlichen Raum zu schauen, das scheint auch vielen wichtig zu sein.
Ihr könnt zurückrufen „das ist ein freies Land, wir tun, was wir wollen”, aber das ist selten der Beginn eines friedlichen Zusammenlebens. Wir haben uns, gerade in den Anfangsjahren, viel, viel Zeit genommen mit Leuten zu reden, auch noch auf die absurdesten Vorwürfe einzugehen, und immer wieder nachzufragen, was genau die Menschen denn stört. Zum einen hilft es, Menschen ernst zu nehmen: vielleicht weiß ein*e langjährige*r Anwohner*in ja tatsächlich etwas, das ihr übersehen habt? Und zum anderen kann euch niemand das Leben so schwer machen wie eine einzige Person, die am Fenster sitzt und bei jeder Gelegenheit das Ordnungsamt ruft – so etwas kann das Ende jeden Projektes bedeuten! Und zu guter Letzt: wenn ihr in einem fremden Quartier arbeitet, seid ihr tatsächlich im Lebensumfeld von „jemand anderen”. Ihr geht heim, zieht zum Studieren nach Hamburg, was auch immer – die Person muss eventuell mit den Ergebnissen eurer Arbeit leben. Redet mit ihnen und versucht herauszufinden, wer das, was ihr tut, mag – und wenn wirklich alle, alle, alle das, was ihr tut, blöd finden, solltet ihr vielleicht wirklich den Ort wechseln.
Es gibt verschiedene Barrieren und die meisten entziehen sich eurer Kontrolle. Umso wichtiger ist es, dass ihr versucht, die abzubauen, die ihr abbauen könnt. Die meisten Menschen in der Szene der „Stadtmacher*innen” sind jung, gut ausgebildet, gesund – Umstände, die sie kaum stören, können für andere der Grund sein, warum sie nicht mitmachen. Und euer Beet sollte nicht die einzige Stelle blockieren, an der Menschen mit Rollator über die Straße kommen – klingt selbstverständlich, aber manchmal vergisst man solche Aspekte im Eifer des Gefechts.
Achtet darauf, wenn möglich eure Treffen an Orten zu machen, die auch für Gehbehinderte und Ältere zugänglich sind. Und schaut auch, ob eure Ortswahl per se schon Menschen ausschließt: viele Menschen muslimischen Glaubens möchten sich vielleicht nicht in einer Kirche treffen? Schaut, welche Gruppen ihr nicht erreicht: Können Alleinerziehende vielleicht eher zu den Treffen kommen, wenn ihr eine Kinderbetreuung anbietet? Gibt es jemanden, der in andere Sprachen übersetzen könnte? Achtet auf einfache Sprache in euren Flyern und auf euren Veranstaltungen. Gute Moderator*innen finden einen Weg, Fachbegriffe in wenigen Sekunden zu erklären, ohne dass sich Menschen für dumm verkauft fühlen.
weiterführende Links:
Eigentlich könnt ihr davon ausgehen, dass so ziemlich jeder innerstädtische Boden verseucht ist. „Verseucht” bedeutet nicht, dass ihr ihn nur mit Einweghandschuhen anfassen dürft, oder jede Tomate von diesem Boden massiv eure Gesundheit bedroht. Aber wenn ihr wirklich Pflanzen zum Verzehr im Boden selbst und ohne Hochbeete ziehen wollt, solltet ihr den Boden zumindest testen lassen. Es gibt Labore, die das relativ günstig machen, oder ihr fragt mal bei der Stadtverwaltung beim Fachbereich Umwelt nach, wenn ihr Glück habt, können deren Mitarbeiter die Beprobung kostenlos durchführen (einer der Vorteile, den gute Öffentlichkeitsarbeit mit sich bringen kann).
Ansonsten bleibt nur: Erde rankarren. Von der Stadtwirtschaft könnt ihr manchmal günstig Kompost beziehen, ansonsten ist der Preis für einen Kubikmeter Mutterboden in der Region Halle bei rund 12€ – also einerseits durchaus bezahlbar, aber wenn ihr 20 Beete füllen wollt, auch nicht unerheblich. Bei kleinen Mengen ist oft die Lieferung das teuerste; wenn eine*r der Nachbar*innen ein Auto mit Anhängerkupplung hat, könnt ihr einen Teil sparen, wenn ihr euch einen Hänger mietet.
Zu guter Letzt: bestimmte Pflanzen entziehen dem Boden Giftstoffe. Langfristig ist das die kostengünstigste Lösung für große Flächen, und die einzig echte Lösung, denn ein Bodenaustausch ist teuer, aufwändig und letztlich wird die Erde auch nur woanders hingekippt. Allerdings braucht ihr hierfür viele Jahre Zeit und jemanden, der/die sich tatsächlich damit auskennt.
Wir hatten sehr viele Jahre keinen „eigenen Look”, oder immer unterschiedliche. Und als wir angefangen haben, nach einem eigenen „Look” zu suchen, kam durchaus die Frage auf: „Haben wir echt nichts Dringenderes zu tun?!”. Doch im Endeffekt nützt die Suche nach einem gemeinsamen visuellen Auftreten, denn Flyer und ähnliches lassen sich mit einem eigenen „Look” und Logo wesentlich schneller herstellen!
Dazu erhöht sich damit auch der Wiedererkennungswert unseres Projektes. Insofern ist unsere Erfahrung: Gerade in der Anfangsphase kein Muss, aber durchaus eine Überlegung wert.
Mit Drittmitteln werden Gelder „von außen” bezeichnet, also (meistens) Fördergelder und/oder Sponsoring. Fördermittel sind das ominöse Wesen bürgerschaftlicher Projekte: irgendwie reden alle ständig darüber, aber wenn man dann mal schnell und unkompliziert Geld will, ist nirgendwo welches.
Je nachdem, wie euer Projekt aussieht, ändert sich die Art der Fördermittel.
Seid euch einer Tatsache bewusst: Ihr wollt Geld von „jemandem” (Stadt, Staat, Stiftung, was auch immer) – damit müsst ihr euch auch bis zu einem gewissen Grad nach ihnen richten. Vor allem hinsichtlich der Zeithorizonte: Anträge müssen zu bestimmten Stichtagen eingereicht werden, das Geld kann erst ab einem bestimmten Stichtag ausgegeben werden – oft sind die eigenen Planungen dafür zu kurzfristig. In vielen Städten gibt es eine Bürgerstiftung, eine Freiwilligenagentur oder etwas ähnliches; wenn ihr ihnen von eurem Projekt erzählt, können sie euch oft einen guten Tipp geben, wo man schnell und unkompliziert kleinere Summen auftreiben kann.
Es lohnt sich übrigens oft, einfach mal anzurufen und mit den Zuständigen zu reden. Oft können sie gute Tipps geben, und wenn man etwas zwischen den Zeilen horcht, erfährt man manchmal auch, ob eine Bewerbung überhaupt Sinn ergibt.
Firmenspenden hingegen gehorchen anderen Regeln: Hier gibt es keine Antragsfristen und wenn man Glück hat, geht alles ganz schnell. Der/die Chef*in findet euer Projekt gut und will euch unterstützen – und ein paar Tage später habt ihr die Spende. Oder ein*e Filialleiter*in hat ein Budget für „gute Taten im Viertel” und ihr rennt offene Türen ein. Oder, das ist mindestens genauso realistisch, ihr rennt von Tür zu Tür und kommt nirgends weiter. Sachspenden können da deutlich leichter zu bekommen sein, etwa wenn ihr den Bauunternehmer bittet, ob er euch vielleicht eine Fuhre Erde vorbei fahren kann, oder die Holzhändlerin euch Rabatt gibt – seid findig und seht euch um, was es im Viertel gibt. Und: pflegt eure Sponsoren, schickt ihnen nette Fotos der Aktion, nennt sie auf Facebook etc.!
Was kein öffentlicher Grund ist, gehört jemandem. Wenn ihr Glück habt, ist es eine Privatperson – die können selbst entscheiden, was mit ihrem Eigentum passiert, während Mitarbeiter von Immobilienverwaltungen etc. sich meist scheuen, Verantwortung zu übernehmen.
Vielleicht freuen sich die Eigentümer*innen darüber, dass im Viertel etwas passiert, finden euer Projekt gut, und unterstützen euch gerne; das kommt öfter vor als man meinen möchte. Trotzdem lohnt es sich, ein paar Argumente parat zu haben: wie nutzt euer Projekt dem Viertel und damit letztlich auch dem Eigentümer/der Eigentümerin, die ja auch Vermieter*in und vielleicht mal Verkäufer*in sind? Wertet es vielleicht das Gebäude bzw. die Fläche auf? Gibt es etwas, dass die die Meinung der Eigentümer*innen ändert – Geld möglicherweise, aber auch, dass ihr anbietet, bestimmte Renovierungsarbeiten o.ä. zu übernehmen. Wenn die Eigentümer*innen euer Projekt trotzdem blöd finden, euch nicht mögen oder nicht vertrauen, oder schlicht keine Lust haben, dass sich irgendetwas ändert, habt ihr auf legalem Wege keine echte Chance. Ob ihr Flächen illegal nutzen wollt, müsst ihr euch selbst überlegen (Erlaubnis, Genehmigung).
Man muss Eigentümer*innen die Ängste nehmen!
Oft haben Eigentümer*innen auch schlicht Angst: dass ihr die Fläche schleichend besetzt, bis sie euch nicht mehr weg bekommen; dass ihr einen Haufen Müll hinterlasst; dass ihr Dinge baut, die zum Sicherheitsproblem werden; oder vor was auch immer sonst die Menschen so alles Angst haben. Achtet auf ein gutes Auftreten! Wenn ihr Glück habt, habt ihr durch eure früheren Aktionen in der Gegend bereits genug Vertrauen erworben, dass sich Eigentümer*innen darauf verlassen, dass ihr keinen Ärger anrichtet, und die Folgen eurer Handlungen niemand anderes in die Schuhe schiebt. Ansonsten könnt ihr Garantien anbieten: Durch einen Miet- oder Nutzungsvertrag hat der/die Eigentümer*in jemanden, den er/sie zur Verantwortung ziehen kann, wenn die Fläche oder Immobilie Schaden nimmt – die Person muss sich dann aber auch darauf verlassen können, dass ihr sie nicht im Regen stehen lasst! Ihr könnt eine Kaution anbieten, falls eure Projektkasse das hergibt oder benennt eine*n Bürgen.
Eigentümer*innen herauszufinden ist manchmal fast detektivische Arbeit
Teils stellt es sich übrigens schon als kompliziert heraus, Eigentümer*innen zu ermitteln. Die Stadt hat natürlich die Grundbucheinträge, darf sie aber nicht herausgeben. Allerdings bieten Kommunen manchmal an, den Kontakt herzustellen; sie geben dann dem/der Eigentümer*in Bescheid, dass ihr gerne Kontakt zu ihnen aufnehmen wollt, oder leiten einen Brief von euch weiter. Einfacher ist aber oft der pragmatische Weg: redet mit den Bewohner*innen, die wissen es fast immer. Außerdem hängen im Hausflur fast immer Info-Zettel, aus denen zumindest die Hausverwaltung hervorgeht. Oder redet mit den Nachbar*innen, auch die können oft helfen. Bei großen Immobilien (alten Industriehallen o.ä.) gibt es oft auch Zeitungsmeldungen, wenn sie den/die Besitzer*in gewechselt haben – einfach mal googeln!
Der Street Artist Banksy hat gesagt „It is easier to ask for forgiveness, than for permission”. Das stimmt vielleicht, aber Banksy arbeitet nicht langfristig mit den gleichen Leuten in einem Quartier. Daher ist unsere Erfahrung: egal was ihr tut, redet auf jeden Fall mit denen, die direkt davon betroffen sind – also den Anwohner*innen und Nutzer*innen. Wenn der Eigentümer/die Eigentümerin in der Nähe wohnt: fragt sie auf jeden Fall um Erlaubnis, er/sie wird früher oder später merken, dass ihr das Grundstück nutzt. Etwas anderes ist, wenn die Fläche weniger präsenten Eigentümern gehört, wie einer Firma oder der Stadt: Wir empfehlen natürlich nicht, Projekte illegal auf fremden Flächen zu machen – aber wenn ihr vorher fragt, und euch ein Eigentümer die Erlaubnis verweigert, könnt ihr, wenn ihr es dennoch durchzieht, noch nicht einmal sagen, ihr hättet es nicht gewusst. Viel hängt von den konkreten Gegebenheiten ab: wie aufwändig ist euer Projekt, und wie lange dauert es? Wie viel Ärger könnt ihr euch einhandeln? Ein Grillabend mit der Nachbarschaft auf einer städtischen Fläche bringt im Zweifel weniger Ärger als ein Festival in einem Industrieareal, das euch nicht gehört. Eine elegante Zwischenlösung kann übrigens sein, den/die Eigentümer*in um eine “informelle Erlaubnis” zu bitten: offiziell hat es euch niemand erlaubt und niemand (außer euch) muss die Haftung übernehmen, wenn etwas schief geht. Aber unter der Hand sichert euch der/die Eigentümer*in zu, euch zu tolerieren und z.B. keine Anzeige wegen Hausfriedensbruch zu stellen. Mit einer Kommune könnt ihr so einen Deal übrigens leider nicht machen, aber je nachdem, wie man gegenüber den Mitarbeiter*innen des Ordnungsamtes auftritt, steigt oder sinkt deren Interventionswille auch manchmal.
Genehmigungen der Stadt
Genehmigungen der Stadt sind nochmal eine andere Sache. Manche sind einfach zu bekommen, beispielsweise „Veranstaltungen mit weniger als 200 Leuten auf Privatgelände”, manche kostspielig („Wegesondernutzung” für Gerüste auf Gehwegen), manche sind kaum zu bekommen (fast alles, womit man Straßen verschönern könnte, aber auch einiges anderes). Es ist schwer, einzuschätzen, wo man besser eine Genehmigung beantragt und was man am besten „einfach macht” (s. “Verantwortung”). Wenn ihr ein gutes Verhältnis zum Quartiersmanagment oder zur Stadtverwaltung habt, könnt ihr da mal „unter der Hand” nachfragen, wie groß der Aufwand für eine bestimmte Genehmigung ist – denn teilweise hängt auch ein riesiger Rattenschwanz daran. Im schlimmsten Fall endet es damit, dass jeder Fachbereich eure Idee absolut toll findet, ihr müsst nur hier ein bisschen für den Brandschutz tun und da etwas für die Wegesicherung und da eine Kleinigkeit für was-auch-immer, und zum Schluss übersteigen die Kosten durch Sicherheitsvorgaben allein schon euer Budget.
Frage:
Antwort:
Sich selbst und sein Projekt zu feiern ist wichtig – ihr solltet auf jeden Fall versuchen, für euch als Gruppe regelmäßig kleine „Events” zu machen! Aber ob es zusätzlich stadtweit beworbene, spektakuläre Großveranstaltungen geben muss hängt von euch ab. Für die Öffentlichkeitsarbeit sind sie natürlich super, und oft gewinnt man so auch neue Mitstreiter*innen. Ob es für die Finanzen hilft, unterscheidet sich sehr stark: es gibt Projekte, die damit regelmäßig ihre Kasse sanieren und Projekte, die grundsätzlich draufzahlen. Da wir zu Letzteren gehören, können wir euch nicht sagen, was den Unterschied macht.
In jedem Fall ist es immer ein riesiger Aufwand! Redet vorher im Team darüber, wer darauf Lust hat, wer Verantwortung übernehmen, wer nur mitmachen will und wer sich am liebsten ganz raushält. (Das beinhaltet auch das Aufräumen!). Denn es gibt immer solche unter den Mitstreiter*innen, die für die Events leben: im Alltag sieht man sie nur gelegentlich, aber kaum steht ein Fest bevor, drehen sie auf, sind überall zugleich und widmen fast jede Sekunde ihrer Zeit diesem Unterfangen. Genauso aber gibt es die, die sich am liebsten im Alltag um ihre Beete kümmern oder woraus auch immer euer Projekt besteht und Events eher tolerieren – solange danach nicht die ganze Fläche wochenlang unaufgeräumt ist! Redet vorher mit allen Beteiligten darüber, wie sie zu Events stehen, was sie davon erwarten, und wie stark sie sich selbst einbringen wollen. Wenn 90% gesagt haben, dass sie maximal eine Barschicht übernehmen, kann man es danach niemand übel nehmen, wenn man beim Aufräumen allein ist!
Falls ihr kein reines Online-Projekt macht, braucht ihr einen Ort; wie der aussehen soll, hängt von eurem Projekt ab – dementsprechend grob sind die Tipps, die wir hier nur geben können.
Innenräume
Viele Dinge gehen nur innen, wo es regen- und vandalismusgeschützt und im besten Fall sogar warm ist. Wenn ihr den Raum nur gelegentlich braucht, für Treffen oder Veranstaltungen, könnt ihr bei Schulen, KiTas oder Vereinen anfragen; auch Kirchen haben oft Gemeinderäume. Oft wird dafür aber eine kleine Miete oder Umkostenbeitrag fällig.
Der Klassiker einer leerstehenden Lagerhalle oder ähnlichem ist natürlich ein Traum, aber komplizierter als man meint. Zum einen gehört sie jemandem, zum anderen sind sie baulich meistens problematisch – es hat schon einen Grund, warum sie leer steht. Schließlich hat jahrelanger Leerstand auch Auswirkungen. Hauptprobleme sind oft die bauliche Sicherheit: Ist das Gebäude einsturzgefährdet? Gibt es Fluchtwege, Brandschutz etc.? All das ist für die Genehmigung relevant! Dazu auch die „Haustechnik”: also Strom, Wasser, Kanalisation und Heizung (s. Infrastruktur). Hier Dinge neu zu verlegen kann u.U. sehr teuer sein, vor allem, wenn man die Skills nicht im Team hat. Stellt zumindest sicher, dass ihr, wenn ihr viel Zeit und Geld in die Räume steckt, sie auch langfristig nutzen könnt! So eine Halle (oder andere leerstehende Immobilie) kann ein Traum für jedes Projekt sein, aber seid euch darüber im Klaren, dass ihr viel mehr Zeit und Geld investieren müsst als gedacht. Holt euch so früh wie möglich Sachkundige ins Boot, sonst lauft ihr Gefahr, ein bodenloses Loch zu füttern!
Außenräume
Man kann ein Stück Grund mieten oder pachten, wenn das Projekt ausreichend Geld generiert. Viele Projekte arbeiten auf Brachflächen, die sie von Eigentümer*innen oder Kommunen zur Nutzung überlassen bekommen haben. Das bedeutet jedoch eine beständige Unsicherheit: meist kann dem Projekt innerhalb weniger Wochen gekündigt werden, so dass teils großartige Projekte nach vielen Jahren und unendlich viel investiertem Geld und Zeit noch immer in einem nervenzehrenden Zustand der Schwebe hängen. Kostenlos ist diese Lösung übrigens auch nicht unbedingt: auch wenn oft keine Miete erhoben wird, müsst ihr meistens für die Kosten von Strom- und Wasseranschluss, die Grundsteuer, Versicherung und andere Ausgaben aufkommen.
Wenn ihr euch in der Nachbarschaft umseht, findet ihr vielleicht Akteure, die ungenutzte Flächen haben. Das kann der Sportplatz sein, der Kirchgarten oder der Grünstreifen vor dem örtlichen Supermarkt. Außerdem gibt es öffentliche Flächen, für die ihr jedoch zumeist Genehmigungen braucht, was eine Fülle an Sicherheitsmaßnahmen nach sich ziehen kann. Haltet die Augen offen für “Restflächen”: kleine Grünflächen hinter Verkehrsschildern oder an Kreuzungen, neben Hofeinfahrten etc. Auf dem Gehweg oder auf (öffentlichen) Parkplätzen gehen meist nur temporäre Installationen; wenn ihr eine Genehmigung wollt, müsst ihr dafür eine „Wegesondernutzung” beantragen. Oft verzichtet die Kommune auf die Gebühren, wenn man darlegen kann, dass die Aktion im öffentlichen Interesse und nicht profitorientiert ist.
Außenraum ist insgesamt billiger zu bekommen und weniger pflegeintensiv; gleichzeitig seid ihr wetterabhängig, meist fehlt die Infrastruktur (Strom, Wasser, Toilette), und was ihr baut, ist weder vor Wetter, noch vor Vandalierenden geschützt – ihr müsst deutlich stabiler bauen!
Ein großer Vorteil von Außenraum ist jedoch, dass er zugänglicher ist: was ihr tut, wird von mehr Leuten gesehen und eure Veranstaltungen finden nicht „hinter verschlossenen Türen” statt. Die Hürde, sich zu einem Plenum dazu zu setzen, sinkt, wenn man ein paar mal unauffällig daran vorbeigehen kann, sich ein paar Meter weiter auf die Parkbank setzt, und nach und nach näher rutscht.
Vertikale Räume
Wände waren unser Weg, leicht zu bearbeitende Flächen zu bekommen: es gibt hunderte davon in jedem Viertel, sie sind meist privat (d.h. man braucht nur das Einverständnis des/der Eigentümer*in), und für ein Wandbild braucht es keinerlei Baugenehmigung; ab ein paar Metern Höhe sind sie zudem ziemlich vandalismussicher. Allerdings sind sie schwer zugänglich, denn Gerüste oder Hebebühnen sind teuer, man kann nur selten hin (etwa um Pflanzen zu pflegen oder zu ernten), und sobald man etwas außen an der Wand befestigt, steigt das Gefahrenpotential für alle, die darunter vorbei gehen.
Das bedeutet nicht, dass vertikale Flächen nun die Paradelösung für jedes Projekt wären. Aber seid etwas kreativ, wenn ihr euch nach Flächen umseht; manchmal gibt es absurde Lösungen, die Gold wert sind.
Förderkulisse meint die Fördermöglichkeiten, die es für euer Projekt an eurem Standort gibt. Städte weisen jeweils sog. „Fördergebiete” aus. Innerhalb dieser Fördergebiete ist es meist leichter, städtische Gelder zu bekommen, solange euer Projekt auf eine bestimmte Problemlage reagiert. So kann es z.B. für ein Projekt mit Bildungscharakter leichter sein, in einem Fördergebiet „Soziale Stadt” öffentliche Gelder zu bekommen. Darüber hinaus haben Städte fast immer sog. ISEK’s (Integrierte Stadtentwicklungskonzepte) oder Masterpläne und für die meisten Stadtteile auch Quartierskonzepte. Es lohnt sich auf jeden Fall nachzusehen, was dort über euren Stadtteil steht. Was euch klar sein muss: auch wenn in eurem Quartierskonzept steht „das Viertel soll grüner werden” bedeutet das nicht, dass die Kommune deshalb automatisch Geld für eure Beete zur Verfügung stellt. Die verschiedenen Konzepte geben grobe Leitlinien und Richtungen vor, sie sind keine To-Do-Listen, was in den nächsten fünf Jahren umgesetzt werden soll. Aber wenn eure Maßnahme zum ISEK oder Quartierskonzept passt, lässt sich hiermit sehr gut argumentieren im Sinne von „Wir möchten hier etwas machen, was sich die Stadt ja ohnehin vorgenommen hat!”
Zu guter Letzt: schaut einmal nach, wie die Fläche, auf der ihr arbeitet, gewidmet ist. Liegt sie in einem Gewerbe- oder einem Wohngebiet, soll hier in Zukunft gebaut werden, ist es ein Wasserschutzgebiet? Wenn ihr freundlich fragt, kann euch vielleicht die zuständige Person vom Planungsamt das Wichtigste erläutern.
Freiräume sind gerade das heiße Thema in der Stadtentwicklung, alle wollen sie, alle finden sie toll. Wir auch, und ihr wahrscheinlich auch.
Man sollte sich aber keinen Illusionen hingeben: Freiräume – ob es wirklich „freie Räume” geben kann, lassen wir mal als philosophische Debatte beiseite – sind nicht automatisch glückliche Spielplätze, wo alle nett zueinander sind, weil die bösen Zwänge des Systems endlich weg sind. Es stimmt: Freiräume sind Räume, an denen etwas mehr geht als anderswo, an denen weniger Regeln gelten oder wo die Regeln weniger fest eingefordert werden. Es ist deshalb mehr möglich – für euch und Andere, Dinge die ihr toll und Dinge, die ihr blöd findet. Vielleicht ist die Brache, auf der ihr pflanzen wollt, der Rückzugsraum von Obdachlosen, vielleicht steht eure neu gebaute Bank genau auf dem Straßenstrich. Auf die eine oder andere Art müsst ihr euch damit arrangieren, dass Freiräume immer von Vielen genutzt werden – Freiraum heißt nicht „freier Raum, der nur darauf wartet von euch entdeckt zu werden”.
Und: In Freiräumen existieren weniger Regeln, die euch daran hindern, euer Projekt umzusetzen. Es existieren aber auch weniger Regeln, die die Früchte eurer Bemühungen schützen. Euer Hochbeet im öffentlichen Raum kann eher mal jemand kaputt machen als in einem Schrebergarten. Wenn ihr illegal in einem Gebäude aktiv seid, kann es euch von einem Tag auf den anderen passieren, dass ihr raus müsst – und alles, was ihr investiert habt, vergebens war.
Freiräume heißt – bis zu einem gewissen Grad! – Freiheit von Zwängen und Schutz. Das darf nicht verwechselt werden mit Freiheit von Konsequenzen für das eigene Handeln und Freiheit von sozialer Verantwortung. Was ihr tut beeinflusst immer die Lebenswelt Anderer. Solange man das im Kopf hat, kann die Arbeit in, an und mit Freiräumen zum aufregendsten und bereicherndsten gehören, was es gibt.
Ehrenamtliche Arbeit kann frustrierend sein. Es gibt Momente, da klappt nichts, die Kollegen haben (wie immer!) ihre Aufgaben nicht gemacht, die Hälfte vom Material ist nicht da, dafür fehlt auch die Hälfte der Leute, überhaupt wird alles teurer als gedacht, es regnet, und im Kartoffelbeet wächst nur Spargel.
Man kann die frustrierenden Momente ein bisschen besser machen. Schickt jemanden los, um Kaffee und Kuchen zu holen. Macht ein Feuer, das erhellt grundsätzlich die Gemüter. Trommelt kurz alle zusammen und überlegt, was gerade konkret stört: muss wirklich alles heute fertig werden, oder macht man jetzt noch mit geballter Kraft die zwei dringenden Dinge fertig und trifft sich nächste Woche nochmal?
Aber mindestens genauso wichtig: Feiert die guten Momente! Feiert euch selbst! Achtet darauf, dass ihr nach jedem Projekt mindestens einen schönen Moment zusammen habt (und natürlich möglichst schon währenddessen), wo ihr es euch gemeinsam gut gehen lasst – glaubt uns, kaum etwas ist so wichtig wie das! Wer die schönen Momente gemeinsam feiert, powert die frustrierenden Momente auch gemeinsam durch, da sie nun mal unvermeidlich sind.
Besonders, wenn ihr in einem etwas einfacheren, günstigeren Viertel eurer Stadt arbeitet, kann es euch gut passieren, dass ihr früher oder später mit dem Vorwurf der „Gentrifizierung” konfrontiert seid: ihr würdet das Viertel aufhübschen, als nächstes würden ein Haufen junger Künstler*innen und Studierende ins Quartier ziehen, die Mieten steigen, überall gäbe es nur noch Soja-Latte-Cappucchinos, und als nächstes steigen die Mieten bis alle alten Bewohner*innen vertrieben wären.
Der Vorwurf ist nicht immer fair, aber auch nicht immer falsch. Schaut euch eure Mitstreiter*innen an: meistens gehört ihr zum jungen, gut ausgebildeten Teil der Bevölkerung, und macht Projekte, die eine gewisse Anziehungskraft haben. Plötzlich kommen auch Andere in euren sonst so verschlafenen Stadtteil, man liest gelegentlich in der Zeitung über das Viertel. Endlich ziehen mal wieder ein paar junge Leute her und der eine oder die andere Eigentümer*in nimmt sogar ein bisschen Geld in die Hand, um ein Haus zu sanieren. Und unter Umständen beginnt Stück für Stück ein Prozess, der sich eurer Kontrolle entzieht.
Wenn wir in einem System leben, das aus allem Schönen direkt Profit schlägt – soll dann unsere Antwort sein, dass wir Dinge nicht mehr schön machen?
Nur: Was wäre die Alternative? Müssen die Straßen hässlich und die Brachen unbenutzbar bleiben, damit die Mieten nicht steigen? Die Gegenfrage wäre: Für wen machen wir die Straßen bunt und die Brachen grün, wenn die Vermieter*innen die Nachbarschaft, mit der wir so ein gutes Verhältnis pflegen, Stück für Stück gegen eine “Zahlungskräftigere” ersetzen? Es ist definitiv kein fehlerfreies System, dieser Kapitalismus…
Eine Lösung können wir euch auch nicht sagen, und wir sehen unsere eigene Arbeit in Freiimfelde vor diesem Hintergrund durchaus auch selbstkritisch. Ein Problem ist, dass man die Entwicklung nicht vorhersehen kann. Wer gründet schon die erste Mieter*innengenossenschaft und kauft Häuser für ein Mietshäusersyndikat in einem trostlosen Viertel, wenn der Bau eines Hochbeets schnell und wirksam die Gemüter erheitert? Aber gleichzeitig solltet ihr die Entwicklung genau im Auge behalten und so früh wie möglich anfangen, diese „großen Gedanken” zu spinnen – und dann auch in die Tat umzusetzen! Denn sobald diese Entwicklung begonnen hat, dreht sich in dem Viertel, das mal eures war, ein Rad, das zu groß ist und zu viel Geld bewegt, als das ihr noch ernsthaft die Möglichkeit hättet, einzugreifen.
Die meisten Stadtmacher*innen verorten sich selbst in der alternativen Ecke und stehen Hierarchien kritisch gegenüber. Das reicht aber nicht, um sie verschwinden zu lassen; im Gegenteil wird es dadurch nur komplizierter. Manche wissen etwas, andere nicht – und schon gibt es eine Wissenshierarchie. Jemand hat sich Sonntagabend nochmal hingesetzt und etwas für das Projekt getan, es aber damit natürlich auch ein Stück weit beeinflusst – ist die Person jetzt besonders toll, weil sie sich stärker engagiert? Oder ist das eher ein Problem, weil andere wegen Kindern, Job, Studium oder Kater nichts machen konnten und jetzt mit den Ergebnissen des Alleingangs leben müssen? Wenn eine*r die juristische Verantwortung übernommen hat – wie viel Mitspracherecht hat das Kollektiv dann noch, wenn es hart auf hart kommt?
Nicht alle Hierarchien kann man verhindern, nicht alle sind schädlich.
Mit zwei Aspekten müsst ihr einen Umgang finden – oder auch nicht, aber ihr solltet zumindest darüber reden: Erstens werden Hierarchien von außen an euch herangetragen. Ihr müsst Ansprechpartner oder Verantwortliche benennen, vielleicht Vereinsvorstände wählen. Jemand von euch vertritt das Projekt in der Öffentlichkeitsarbeit, jemand von euch wird als Chef*in angesehen. Macht euch auch klar, dass ihr (spätestens) hier mit Stereotypen konfrontiert werdet, zu denen ihr euch verhalten müsst: Wie viele Frauen präsentieren euer Projekt nach außen? Sprechen immer nur die mit akademischer Ausbildung über das Projekt? Wenn ihr euch (gemeinsam!) dafür entscheidet, einfach nur zu gärtnern und da keine Genderdiskussion daraus zu machen, ist das okay; aber redet mal darüber – tragt keine gesellschaftlichen Stereotype weiter, nur weil man nie darüber geredet hat!
Zweitens entstehen auch innerhalb einer Gruppe Hierarchien, ob gewollt oder nicht. Manche bringen ein Vorwissen mit, was Gold wert ist – aber auch Hierarchien aufmacht. Andere engagieren sich extrem für das Projekt, kriegen alles mit, was passiert, sind überall involviert, und haben jeden Schlüssel – einerseits ginge ohne sie nichts vorwärts, andererseits geht halt ohne sie auch nichts vorwärts… Falls sich das Projekt professionalisiert, werden insbesondere solche Dinge entscheidend, aber auch davor lohnt es sich, regelmäßig über diese Aspekte zu reden.
Illusionen ist ein böses Wort gegenüber etwas, was ihr für eure Projekte ganz dringend braucht: Träume! Wir wollen daher gar nicht viel sagen von wegen „verabschiedet euch von euren Illusionen” – im Gegenteil, hegt und pflegt sie, mit Vernunft allein kann man die Welt schwerlich bezaubern!
Seid euch darüber im Klaren, dass nichts so läuft, wie ihr es euch vorstellt. Es gibt nahezu kein Projekt, das so endet, wie gedacht, und auch keines, das wirklich vollständig scheitern würde. Außerdem dauert alles doppelt so lange, und wird doppelt so teuer. Ohne Witz, nehmt das in eure Zeitplanung mit auf, vor allem, wenn ihr etwas zum ersten Mal macht.
Alles andere: keep reaching for that rainbow!
Meistens nimmt man Infrastruktur einfach so hin, bis man feststellt: Strom, Wasser, Kanalisation etc. sind aufwändig und teuer – und in Freiräumen oft Mangelware. Für einige Probleme haben wir inzwischen ganz gute Lösungen gefunden, aber: Infrastruktur ist ein langwieriger Kampf!
Toilette
Die meisten Innenräume haben Toiletten. Für Aktionen auf Freiflächen gilt: Falls ihr nur mit einer kleinen Gruppe von Freunden arbeitet und jemand davon im Viertel wohnt, oder alle Aktiven aus der Nachbarschaft kommen, ist eine Toilette wahrscheinlich nicht das Hauptproblem – andernfalls kann es durchaus eines werden. „Echte“ Toiletten sind teuer, pflegeintensiv, vandalismusanfällig und ziehen einen Rattenschwanz nach sich. Es braucht einen Kanalisationsanschluss (teuer), und einen frostfreien Raum (der u.U. baugenehmigungspflichtig ist). Für ein langfristiges, professionelles Angebot wie zum Beispiel Gastronomie ist dies jedoch die einzige Lösung. Denkbar sind ein eigenes Gebäude, die Umnutzung eines bestehenden Gebäudes oder die Anschaffung eines Klocontainers (mit Heizung!). Für Events kann man Dixietoiletten mieten (ca. 220€ / Monat inkl. Lieferung), sie sind jedoch unschön und im Sommer geruchsintensiv. Wir haben gute Erfahrungen mit einer Komposttoilette gemacht, auch hier muss jedoch die Verantwortung für die Pflege klar geregelt sein – eine Komposttoilette, die im Chaos versinkt, ist kein schöner Anblick. Zudem muss man sich rechtzeitig Gedanken über die Kompostierung machen; hier lohnt es sich, professionellen Rat einzuholen.
Lange Jahre haben wir uns erfolgreich damit durchgeschlagen, die Toiletten der Nachbarschaft zu benutzen – und haben uns immer bemüht, den Nachbar*innen nie ein ungeputztes Klo zu hinterlassen!
Strom
Bei Veranstaltungen in Räumen gibt es oft Strom; redet vorher mit den Eigentümer*innen, ob und wie viel ihr für den Strom zahlen sollt. Falls es auf Freundschaftsbasis läuft: zahlt lieber ein paar Euro zu viel, als dass sich jemand ausgenutzt fühlt! Bei regelmäßigen Veranstaltungen kann es sich lohnen, einen Zwischenzähler zu kaufen (gibt es für wenig Geld im Baumarkt).
Für Veranstaltungen im Freien könnt ihr auf Akkus setzen, insbesondere für Werkzeug und Lampen ist das sehr praktisch. Bei allem, was etwas größer werden soll, könnt ihr versuchen, euch von Nachbar*innen Strom zu ziehen – je mehr Kabeltrommeln ihr habt oder leihen könnt, desto besser! Generatoren sind praktisch, aber laut, und im Dauerbetrieb durchaus teuer; ökologisch sind sie auch nicht unbedingt. Für Einzelevents könnt ihr Generatoren für etwa 50€ pro Tag leihen; redet vorher mit euren Bühnentechniker*innen, wie stark diese sein müssen! Falls ihr längerfristig eigenen Strom „aus der Steckdose” wollt, kann man einen Baustellenanschluss legen – das muss dann über eine*n Elektriker*in beantragt werden. Einerseits ist „Baustrom” doppelt teuer, denn ihr zahlt pro Monat Anschlussgebühren und der Strom selbst ist teurer als sonst, andererseits ist es günstiger als einen „echten” Stromanschluss legen zu lassen. Aber wie bei Toiletten gilt auch hier: wenn ihr langfristig ein professionelles Angebot auf der Fläche betreiben wollt, werdet ihr um einen echten Stromanschluss wahrscheinlich nicht herumkommen.
Wasser
Für manche vielleicht kein Problem, für uns ein jahrelanges Ärgernis: fehlendes Wasser. Wenn ihr Dachflächen habt, könnt ihr Regenwasser sammeln; für uns haben sich sog. “IBC”-Tanks bewährt, in die jeweils 1000 Liter passen. Für Events (Händewaschen!) und zum Kochen kann man von Nachbar*innen Kanister auffüllen lassen; auch hier wieder: lieber ein paar Cent zu viel gezahlt, als dass sich jemand ausgenutzt fühlt! Ein „echter” Wasseranschluss muss unterirdisch verlegt werden und muss so gebaut sein, dass er nirgendwo einfrieren kann, also nur in geheitzten Gebäuden über die Erde kommt. Eine Ausnahme sind Gartenhydranten, die man in den Schacht stecken und im Winter wieder abziehen kann.
Müll
Je nachdem was ihr vorhabt, kann es sich lohnen, eine Mülltonne bei der Stadt zu beantragen, wobei ihr dann klären müsst, wer sie regelmäßig zur Abholung rausbringt. Wo steht sie sicher abgeschlossen, aber trotzdem so, dass jede*r ran kommt?. Sonst bleibt nur die Möglichkeit, nett bei Nachbar*innen zu fragen, den Müll mit nach Hause zu nehmen oder gelegentlich zum Wertstoffhof zu fahren – wir kennen kein Projekt, das diesen Weg nicht regelmäßig antreten müsste…
Das einfachste ist, gerade bei kleinen Projekten, ihr macht den Anfang einfach als eine Gruppe von Freund*innen. Damit hat man sicher den wenigsten Verwaltungsaufwand und kommt am schnellsten voran. Wir selbst haben über mehrere Jahre auf genau diese Art viele kleine und einige durchaus größere Projekte realisieren können.
Irgendwann kommt aber der Moment, an dem es irgendeine Form von juristischer Person geben sollte. Fördermittelgeber verlangen es und auch auf Vertragspartner*innen wirkt es solider. Spätestens dann taucht die Idee auf, einen Verein zu gründen. Das hat den Vorteil, dass für Vereine die Gemeinnützigkeit beantragt werden kann, wodurch Sponsoren ihre Zuwendungen steuerlich absetzen können und ihr nur dann für bestimmte Fördertöpfe überhaupt in Frage kommt. Einen Verein gründen bedeutet, einen relativ überschaubaren Aufwand – allerdings lohnt es sich, sich vorher zu informieren, sonst macht ihr die Arbeit doppelt. Außerdem müssen euch zwei Dinge klar sein: mit der Gründung eines e.V.’s geht ein gewisser Verwaltungsaufwand einher: Mitgliederversammlungen müssen einberufen, Listen geführt und Tätigkeitsberichte geschrieben werden. Außerdem übernehmen die Vorstände eine gewisse Verantwortung. Und zweitens hat die Gründung eines Vereins und die Beantragung der Gemeinnützigkeit einen gewissen Vorlauf. Die Gründung eines Vereins lohnt sich also nur, wenn ihr ein längerfristiges Projekt plant (siehe Zeithorizont).
Trägerverein als Zwischenlösung – nichts hält so lange wie ein gutes Provisorium
Eine Zwischenlösung ist die Suche nach einem Trägerverein. In dem Fall sucht ihr nach einem bereits existierenden Verein bei euch in der Region, unter dessen „Dach” und damit auch in dessen Namen ihr das Projekt dann realisieren könnt. Das braucht auf beiden Seiten ein gewisses Maß an Vertrauen: ihr müsst dem Verein vertrauen, dass er euer Projekt nicht auf halbem Wege einstampft. Aber vor allem muss der Verein euch vertrauen, dass ihr das Projekt so durchführt, dass ihm daraus kein Mehraufwand oder gar Schaden, auch hinsichtlich seines „guten Rufs”, entsteht.
Weiterführende Links:
Broschüre des Lands Sachsen-Anhalt – Etwas trocken, aber klare Antworten auf klare Fragen
Egal, wo ihr seid, egal, was ihr tut: irgend jemand tut da auch etwas, hat da mal was gemacht, oder will da mal was machen. Meistens tun Dutzende andere Akteure da gerade jetzt etwas. Lernt sie kennen! Wem gehören die Flächen, Häuser und Garagen, welche Firmen und Geschäfte sind in der Gegend, welche Vereine und KiTas gibt es? Redet mit den Schulen und den Sozialarbeiter*innen, dem Quartiersmanagment und den Straßenfeger*innen und natürlich der Nachbarschaft. Oft macht ein kurzes Gespräch den entscheidenden Unterschied, ob jemand das Gefühl hat, dass ihr auf seinem/ihrem Territorium wildert, oder euer Projekt als netten kleinen Zusatz zu seiner eigenen Arbeit empfindet und vielleicht sogar ein bisschen unterstützt.
Wichtig dabei ist: jeder dieser Akteure hat seine eigenen Sorgen, sein eigenes Kerngeschäft. Eine KiTa hilft euch vielleicht mit allem möglichen – vor allem aber muss sie immer und zu jedem Zeitpunkt sicher stellen, dass der KiTa-Betrieb läuft. Zeigt, dass euch die Sorgen der anderen bewusst sind! Redet mit Ihnen, ob euer Hochbeet ausgerechnet an der Stelle blöd steht, weil sie da das Essen ausladen, sucht gemeinsam nach einer Lösung.
Respektiert ihre Arbeit: vielleicht findet ihr insgeheim total blöd, was sie tun oder wie sie es tun – aber sie tun es seit vielen Jahren, und ihr seid neu im Quartier. Fragt, warum sie es so machen und nicht anders; vielleicht finden sie eure Idee super, vielleicht haben sie sie aber auch schon vor Jahren versucht, und können euch sagen, warum eure wunderbare Idee ausgerechnet in diesem Viertel nicht funktioniert.
Mitstreiter*innen sind eine seltsame Art Menschen. Irgendwoher kamen sie und jetzt sind sie da. Und obwohl ihr eigentlich nicht befreundet seid und auch sonst sehr unterschiedliche Menschen, verbringt ihr viel Zeit miteinander, vertraut euch und helft euch in allen möglichen absurden Lagen. Mitstreiter*innen können zu den witzigsten Menschen gehören, die ihr im Leben kennen lernt, eben weil sie sich nicht aus der sozialen Blase rekrutieren, in der jede*r von und steckt.
Was ist der „einigende Gedanke”?
Schaut gelegentlich mal darauf, was euch und eure Mitstreiter*innen zusammenhält: Seht ihr euer Projekt als ein politisches Unterfangen, als reines Hobby, warum macht jede*r einzelne von euch mit, wo man einen freien Samstag doch auch anders nutzen könnte? Kommt ihr alle aus derselben Subkultur oder aus demselben Viertel? Wer von euch macht mit, weil er/sie hofft, dass es für die eigene Karriere nützlich sein könnte, er/sie vielleicht sogar eine Stelle innerhalb des Projektes ergattern könnte? Macht euch gelegentlich gemeinsam Gedanken, ob sich Grüppchen gebildet haben (überhaupt nicht schlimm!), und ob alle Gruppen sich noch gleichmäßig im Projekt vertreten fühlen.
Macht deutlich, dass ihr offen seid für neue Mitstreiter*innen, wie man bei euch mitmachen kann und wer ihr seid. Macht euch auf Veranstaltungen erkenn- und ansprechbar und sprecht auch selbst Leute an. Wenn neue Leute dazu stoßen, stellt sicher, dass sie jemand begrüßt, denn der erste Moment in einer neuen Gruppe fällt vielen schwer. Fragt sie, warum sie gekommen sind, ob und wo sie sich engagieren wollen. Bindet sie ein, ohne sie zu überfordern, aber gebt ihnen nicht das Gefühl, dass sie bei ihrem ersten Bezug zu einem halben Dutzend Zusagen genötigt werden würden.
Zu guter Letzt: Manche Gruppen verwenden mehr Zeit auf das Werben, als auf das Machen. Klar, man muss sich und sein Projekt manchmal auch präsentieren – aber das Machen sollte immer an erster Stelle stehen und wenn ihr nur eine halbe Hand voll Mitmacher*innen habt, solltet ihr trotzdem so viel wie möglich machen; alles andere demotiviert – euch und andere.
Wir haben in einem Wohnquartier angefangen, insofern war klar, wer die Nachbar*innen waren. Aber auch wenn ihr irgendwo tief im Wald tätig seid: irgendjemanden gibt es da und je früher ihr euch mit ihm/ihr gut stellt desto besser. Im Laufe der Zeit haben wir uns von Nachbar*innen alles geliehen von Steckrüben bis Selbstvertrauen, haben mit ihnen an lauen Abenden kühle Getränke getrunken und durften bei ihnen auf Toilette. Über die Jahre haben wir ein Netzwerk aufgebaut, dem wir vertrauen und das uns vertraut, und können so auf mehr Ressourcen zugreifen, als wir selbst uns jemals hätten leisten können. Zudem hat es uns, die wir alle nicht aus dem Stadtviertel kommen, ein gewisses Standing nach außen, gegenüber der Öffentlichkeit und der Stadtverwaltung gegeben: wir galten nicht mehr (nur) als eine Horde junger Studierender, die sich austoben – wir waren gut im Viertel vernetzt und bis zu einem gewissen Grad auch dazu in der Lage, für das Viertel zu sprechen.
Vor allem aber hat es etwas mit Respekt zu tun (s. “Authentizität”). Da, wo ihr hinkommt, waren die Anderen schon lange. Kein Viertel, kein Landstrich, keine Brache und keine Hauswand sind leere Projektionsflächen für eure Ideen und Träume – für diese Art der Selbstverwirklichung ist der eigene Garten da! Wenn ihr im öffentlichen Raum arbeitet, müsst ihr ihn euch teilen mit denen, die sonst noch da sind.
Wenn man das erste Mal zu einer Konferenz eingeladen wird oder die Zeitung zu Besuch kommt, ist man stolz wie Oskar. Irgendwann stellt man fest: Es gibt unfassbar viele Konferenzen, wahnsinnig viele Studierende schreiben Bachelorarbeiten und Zeitungen wollen täglich gefüllt werden – und das wird schnell zeitaufwendig. Und statt eure Beete zu pflegen, steht ihr da, gebt Interviews und sollt noch für abstruse Fotos posieren – und das, wo ihr doch eigentlich dringend Website, Facebook, Instagram und Myspace (kommt wieder! #newconservatism) aktualisieren solltet!
So absurd es klingt: Wenn ihr ein interessantes Projekt macht, werden euch ziemlich schnell viele Leute interessant finden. Und dann kommen sie oder sie laden euch ein oder sie schreiben euch endlose Mails. Sich darum zu kümmern ist zeitaufwendig, und ob es immer der Mühe wert ist, lässt sich nicht belegen. Aber ihr schafft euch damit einen gewissen Bekanntheitsgrad, der im Zweifel viel wert sein kann. Ihr kriegt u.U. leichter Spenden, die Werbung für Events wird leichter und falls Stadt oder Eigentümer*in eurem Projekt an den Kragen wollen, steht mit etwas Glück die halbe Stadtöffentlichkeit hinter euch. Nach dem perfekten Mittelweg, einer schlanken, zeiteffizienten und trotzdem atemberaubenden Öffentlichkeitsarbeit suchen wir auch noch…
Was zudem empfehlenswert ist: dokumentiert eure Projekte! Alle! Man weiß nie, wozu man es braucht – oft schon beim nächsten Förderantrag, wenn man vor Weihnachten beim Glühwein beisammen sitzt oder spätestens, wenn ihr euren Enkel*innen erzählt was für tolle Hecht*innen ihr wart. Eine kurze, ansprechend gestaltete PDF mit dem Werdegang eures Projektes kann die Suche nach Drittmitteln sehr erleichtern.
Partizipation (grob übersetzt: Bürger*innenbeteiligung) ist eine große und durchaus sinnvolle Mode in Politik und Stadtplanung. Es bedeutet, Anwohner*innen und Akteure vor Ort schon früh in die Planung von (meistens Bau-)Vorhaben mit einzubeziehen. Dem zugrunde liegt der Gedanke, dass Anwohner*innen per se ein Mitspracherecht haben, sich so Widerstände vor Ort abbauen lassen und die Menschen selbst u.U. am Besten wissen, wo die Probleme im Quartier liegen.
Bis zu einem gewissen Grad solltet ihr auf jeden Fall Bürger*innenbeteiligung betreiben: redet mit der Nachbarschaft und den Akteuren vor Ort und versucht, sie für euer Projekt zu gewinnen! Ob ihr aber wirkliche, offene Planungsrunden einberufen wollt, hängt von verschiedenen Aspekten ab: Ist euer Projekt überhaupt für die ganze Nachbarschaft relevant? Plant ihr etwas, bei dem Außenstehende sinnvoll mitreden können? Wollt ihr überhaupt, dass andere euch in euer Projekt hineinreden?
Die Leute beteiligen zu wollen ist löblich – aber wer sind „die Leute“, und wollen „die“ überhaupt beteiligt werden?
Unsere Erfahrungen mit offenen Planungstreffen sind gemischt. Man muss sie extrem bewerben und selbst dann kommen oft nur wenige Menschen. Die Vorschläge, die aus der Bevölkerung kommen, sind kaum je Ideen, auf die ein*e Planer*in nicht auch gekommen wäre, so dass der Erkenntnisgewinn durch „Lokalexpert*innen” überschaubar ist. Planungsprozesse sind fast immer so komplex und tiefschichtig, dass es eine gehörige Einarbeitungszeit braucht, bis man sinnbringend mitreden kann – mehr Zeit, als Viele aufbringen können. Zugleich schürt das Format „offene Planungswerkstatt” jedoch bei Anwohner*innen die Erwartung, dass auch die vielen Vorschläge ohne Fachkenntnis mit in die Planung eingehen könnten. Vorteile sind auf jeden Fall, dass man im Planungsprozess neue Mitstreiter*innen aus der Nachbarschaft gewinnen kann und an Authentizität gewinnt. Zudem kann man Kritiker*innen danach entgegnen, dass man schon zu Projektbeginn darum bemüht gewesen war, möglichst Alle einzubinden.
Manche Projekte sind von vornherein darauf ausgelegt, dass Menschen damit ihren Lebensunterhalt bestreiten und andere sind von Grund auf so geplant, dass kein Geld fließen soll. Aber oft beginnt etwas als Projekt einer Gruppe von Ehrenamtlichen. Die Summen sind nicht groß, einen Teil kriegt man über Fördergelder, hin und wieder schießt jemand privat etwas hinzu und falls wirklich einmal etwas hängen bleibt, gehen alle gemeinsam davon essen.Irgendwann gibt es immer mehr zu tun und ein paar besonders Engagierte investieren immer mehr Zeit, ziehen ein bisschen größere Beträge für ein bisschen größere Projekte an Land und alle finden es super.
Professionalisierung entsteht oft langsam, und ist das Ergebnis des Wachstums, keine geplante Entwicklung.
Aber man merkt auch schon, dass sich eine Hierarchie einschleicht: Jene, die viel machen, wissen auch am meisten Bescheid. Außerdem merkt ihr, dass ihr eure Struktur anpassen müsst, wenn ihr so große Projekte (die ja auch alle toll finden, hoffentlich!) gerissen kriegen wollt. Nur logisch, dass der engagierte Kern in der neuen Struktur mehr ins Zentrum rückt; schließlich wissen und machen sie am meisten und die Abrechnung geht schneller, wenn alles über einen Tisch läuft. Oft kommt dann der Moment, wo es um die Schaffung der ersten bezahlten Stellen geht. Nicht, weil irgend jemand gierig wäre und den ehrenamtlichen Spirit verraten möchte, sondern weil der Zeitaufwand für die Größe der Projekte und den Grad an Professionalisierung, den ihr langsam erreicht, zu hoch wird, um ihn nebenbei zu machen.
Wer kriegt den Job?
Manche Projekte fiebern schon ewig auf diesen Punkt hin, wo die Mitstreiter*innen endlich von ihrer Arbeit leben können, bei anderen Gruppen verläuft der Prozess manchmal recht schmerzhaft. Wer soll die bezahlte Stelle kriegen und Geld für die Arbeit bekommen, die alle anderen schon viele Jahre ehrenamtlich machen? Und was „schuldet” diese Person dem Kollektiv, soll sie nun all das machen, worauf die anderen keine Lust haben, oder hat man sich im Gegenteil eine*n Spezialist*in gesucht, die in ihrer bezahlten Zeit auch bitte schön nur die Spezialaufgaben machen soll, die sonst niemand kann?
Nicht alle Projekte brauchen bezahlte Kräfte; manche schaffen riesige Projekte nur mit Ehrenamtlichen, andere Projekte brauchen zwingend eine bezahlte Struktur.
Manche Projekte schaffen über viele, viele Jahre Großartiges, ohne je bezahlte Mitarbeiter*innen zu haben. Andere Projekte aber können langfristig nur überleben, wenn es bezahlte Stellen gibt. Und die Aussicht, dass manche von euch dafür bezahlt werden könnten, etwas zu tun, von dem sie so vollständig überzeugt sind, dass sie es sogar umsonst getan haben, ist großartig! Der Prozess dahin ist sicher herausfordernd, und läuft wahrscheinlich bei jeder Gruppe anders ab. Gute Kommunikation ist sicher besonders wichtig, gerade bei Geld-Dingen. Geht keine faulen Kompromisse ein, die euch mit einem unguten Gefühl zurück lassen, nur um der leidigen und unangenehmen Diskussion über Geld aus dem Weg zu gehen! Gerade bei Projekten aus dem alternativen Spektrum ist die Gefahr groß, aus Harmoniebedürfnis Konflikte nicht offen anzusprechen.
Wenn ihr das hier lest, seid ihr ja eh schon dabei: Betreibt Recherche. So viel Spaß es macht, jeden Fehler selbst zu machen, so viel Frust kann es auch erzeugen, außerdem ist es u.U. recht teuer.
Lest, was andere Projekte machen. Schaut vorbei und seht euch deren Hochbeete an, redet mit ihnen, wie ihr Kompost funktioniert. Manchmal macht die richtige Schraubenart den Unterschied zwischen einem Hochbeet, das 20 Jahre hält, und einem, das nach 2 Jahren schon auseinanderfällt. Und letztlich kann eine Veranstaltungsanmeldung der Unterschied zwischen einem schönen Fest und einer Geldstrafe ausmachen.
Weiterführende Links:
Freiraumfibel des BBSR
Ein ganz heikles Thema. Das eine ist eure eigene Sicherheit – passt auf euch und eure Mitstreiter*innen auf, und lasst euch nicht verrückt machen. Mit gesundem Menschenverstand (und einem Erste-Hilfe-Set) lässt sich ganz gut über die Runden kommen.
Das Zweite ist die Sicherheit der anderen Leute und das beinhaltet die Menschen, die keinen gesunden Menschenverstand zu haben scheinen. Der öffentliche Raum wird von unfassbar vielen Leuten genutzt und anscheinend gehen unfassbar viele dieser Leute ziemlich blind durch die Gegend – wir selbst wahrscheinlich auch oft genug. Nichts von dem, was wir tun, sollte diese Leute verletzen. Dazu gehört, keine giftigen Pflanzen in öffentlichen Beeten anzupflanzen, genauso wie jeden herausstehenden Nagel ordentlich abzuschleifen und keine Eimer mit Mörtel am Gerüst hoch zu ziehen, wenn unten jemand vorbeigeht. Ihr seid für die Sicherheit der Anderen verantwortlich!
Es ist beinahe egal, was ihr vorhabt, man kann fast darauf wetten, dass irgendwann jemand daherkommt mit „Das geht ja garnicht, was meinen Sie, was da passieren kann!”
Das Dritte aber, und da wird es wirklich knifflig, ist ein allgemein kursierender Sicherheitswahn. Es ist beinahe egal, was ihr vorhabt, man kann fast darauf wetten, dass irgendwann jemand daherkommt mit „Das geht ja garnicht, was meinen Sie, was da passieren kann!”. Manchmal sind das gute und sinnvolle Hinweise, die tatsächlich eine Katastrophe verhindern. Oft sind es Berge an Vorschriften, die vor allem gute und schöne Projekte verhindern: Statik, Hygiene, Lärmschutz, Wegesicherheit, Brandschutz, alles mögliche eben. Bei Eigentümer*innen ist es oft die Angst, ihr Haus oder Grundstück könnte Schaden nehmen und sie selbst hätten dann den Ärger – hier hilft vor allem Vertrauen: stellt sicher, dass bei keinem eurer Projekte andere das Gefühl haben, sie hätten Probleme am Hals, die durch euch entstanden seien! Übrigens unabhängig davon, ob sie wirklich durch euch entstanden sind. Das führt manchmal dazu, dass man den Dreck anderer Leute weg machen muss, was einem aber wiederum viel Respekt bringen kann.
Wenn ihr euch in einem neuen Quartier orientieren wollt, mit eurem Maßnahmen mehr Anwohner*innen erreichen wollt oder auf der Suche nach Fördermitteln seid, solltet ihr unbedingt die Sozialstatistiken eures Viertels lesen. Erstens hilft es euch bei der Fördermittel-Akquise, wenn ihr sagen könnt: „Laut ISEK hat der Stadtteil überdurchschnittlich viele Kinder aus bildungsfernen Schichten / hat im Vergleich die wenigsten Grünflächen” – es macht klar, dass ihr euch mit eurem Projekt nicht nur selbst verwirklichen wollt, sondern auf ein reales Problem im Stadtteil reagiert. Und zweitens schärft ihr damit auch euren eigenen Blick auf euer Handlungsfeld. Wenn ihr euren Standort und die Nachbarschaft schon kennt, wisst ihr sicher viel, und manches besser als die Statistiken. Aber andere Sachen sind euch vielleicht nie aufgefallen: wenn ein Viertel z.B. überaltert ist, merkt man das vielleicht auf der Straße kaum, einfach weil Ältere weniger aus dem Haus gehen. Und wenn die ÖPNV-Anbindung (Öffentlicher Personennahverkehr) schlecht ist, fällt das einer Gruppe junger Menschen, die gut zu Fuß sind, vielleicht auch nicht direkt auf.
Statistiken ersetzen nicht euer Bauchgefühl, und genauso wenig das echte Gespräch mit der Bevölkerung. Aber sie dienen als Argumentationshilfe nach außen und schärfen den Blick nach innen, auf die “blinden Flecken” der eigenen Wahrnehmung des Quartiers.
Vor Ort habt ihr es wahrscheinlich vor allem mit dem/der Quartiersmanager*in zu tun. Wenn ihr Glück habt, trefft ihr auf eine sehr engagierte Person, die das Quartier seit Jahren kennt, und euch Akteuren vorstellen kann, die ihr sonst vielleicht nicht kennen gelernt hättet. Außerdem ist das Quartiersmanagement in der Regel genau dafür das, Projekte aus der Bevölkerung zu unterstützen – also euch. Das heißt nicht, dass ihr ihnen zusätzliche Arbeit aufhalsen könnt. Aber gerade in Hinsicht auf Behördenformalitäten wie Genehmigungen und Vernetzung in der Stadt können sie euch oft helfen.
Nur ein sehr kleiner Teil der „Maschine Stadtverwaltung“ hat die Aufgabe, kundenfreundlich zu sein.
Die zweite Ebene ist die eigentliche Stadtverwaltung. Man muss sich klar machen, dass es eine gigantische und komplexe Maschine ist, die den Lebensraum von hunderttausenden Menschen steuert; nur ein sehr kleiner Teil davon (Einwohnermeldeamt usw.) ist dafür da, „kundenfreundlich” zu sein! Das heißt nicht, dass der Rest unfreundlich wäre; es sind schlicht keine „Servicearbeiter*innen”. Ihr Job ist es, die Stadt am funktionieren zu halten, und zwar jede*r in seinem eigenen kleinen Teilgebiet. Viele haben durchaus den Blick für’s “Große Ganze” – handlungsbefugt (und haftbar!) sind sie jedoch für ihren kleinen Bereich. Das kann manchmal dazu führen, dass ihr es mit Leuten zu tun habt, denen die Schleppschleife zweiachsiger Abfallentsorgungsgefährte wichtiger ist als euer Projekt – aber dass die Müllautos überall hinkommen ist eben auch wichtig und dann kann euer Hochbeet das nicht blockieren.
Verwaltung braucht oft ewig und die Prozesse können sehr verschlungen sein. Aber wenn sich etwas bewegt, dann meist langfristig und gründlich.
Auch hier ist Auftreten das absolut Wichtigste: macht euch klar, dass die Person auf der anderen Seite der Amtsstube in den wenigsten Fällen wirklich böswillig ist, dass sie vielleicht etwas weiß, was ihr nicht wisst (Schleppschleifenberechnung…), und dass sie Ärger bekommt, wenn in ihrem kleinen Teilbereich etwas nicht mehr funktioniert. Macht ihr klar, dass ihr versucht, ihre Sachzwänge zu verstehen (versucht es tatsächlich, oder schauspielert, wenn ihr müsst), und dass ihr dankbar seid, wenn sie sich die Zeit nimmt, gemeinsam mit euch nach einer guten Lösung zu suchen! Ein nettes „Wir sind ein ehrenamtliches Projekt und machen das zum ersten Mal, daher die für Sie vielleicht blödsinnige Frage, aber worauf muss ich denn achten wenn ich …” kann euch weit bringen!
Denn auch das merkt man sukzessive: Verwaltung ist unfassbar mächtig. Es ist nicht die Macht einer Privatperson, die innerhalb eines guten oder schlechten Moments “ja” oder “nein” sagt (zum Glück!); Verwaltung braucht oft ewig und die Prozesse können sehr verschlungen sein. Aber wenn sich etwas bewegt, dann meist langfristig und gründlich.
Überlegt euch gelegentlich, wie eure Struktur funktioniert. Nehmt euch die Zeit, tretet einen Schritt aus dem Alltagsgeschäft heraus und schaut: Wer macht am meisten, bei welchen Leuten laufen alle Fäden zusammen (Hierarchien)? Fühlen die sich überlastet, fühlen andere sich ausgeschlossen? Was sind Zeitfresser? Haben alle Beteiligten alle Informationen, die sie brauchen? Sind sensible Informationen ausreichend geschützt? Denn Datenschutz beginnt bei uns selbst! Was sind die Kommunikationswege: Mail, Slack, Telegramm/WhatsApp? Sind damit alle zufrieden, erfahren alle alles rechtzeitig? Gibt es einen gemeinsamen Server oder sind alle wichtigen Dateien verstreut auf sieben Privatcomputern? Haben die richtigen Leute die richtigen Schlüssel? Wie läuft die Buchhaltung, wie viel Zeit nimmt diese in Anspruch?
All das sind Zeitfresser, die (meistens) notwendig sind – die euch aber daran hindern, an eurem Projekt zu arbeiten, sich aber mit einer guten Struktur extrem reduzieren lassen. Redet mit Menschen aus eurem Netzwerk, welche Lösungen diese gefunden haben. Und seid euch bewusst, dass ihr, solange sich euer Projekt weiter entwickelt, die Struktur immer wieder werdet anpassen müssen.
Manche Gruppen reden viel über ihre Gefühle und wie es jeder einzelnen Person geht, andere wesentlich weniger. Aber bitte glaubt uns: Wenn ihr gar nicht darüber redet, macht ihr etwas falsch! Fragt nach jedem größeren Projekt, was gut gelaufen ist, was man das nächste Mal verbessern sollte. Aber fragt euch auch gegenseitig, wie es allen einzeln geht: Wer ist überfordert oder ausgeschlossen, wer findet die Diskussionskultur aggressiv oder langatmig, wer zweifelt daran, ob das Ganze hier überhaupt noch einen Sinn ergibt? Wenn ihr darüber nicht in den ruhigen Momenten redet, wird es euch in den schlechten Momenten aus heiterem Himmel überrollen. Passt aufeinander auf – auch darauf, wie es euch geht.
Überlegt euch gelegentlich, warum ihr das Ganze macht. Wo wollt ihr als Gruppe hin, was wollt ihr bewegen? Schaut, ob die Projekte, die in der nächsten Zeit anstehen oder die ihr zuletzt realisiert habt, diesem Ziel dienen oder nicht.
Geht es euch gut? Habt ihr Spaß an dem was ihr macht? Trefft ihr euch manchmal gemeinsam, einfach nur um in eurem Garten, vor euren Wandbildern oder sonst wo zu sitzen, ein Kaltgetränk zu trinken und Veteran*innengeschichten auszutauschen? Das ist viel wichtiger als man denkt!
Dinge im öffentlichen Raum gehen ohnehin schneller kaputt als im heimischen Garten. Kommt dann auch noch Vandalismus dazu, wird es schnell frustrierend. Nicht nur haben irgendwelche Idioten ohne jeden Grund in ein paar Minuten das ruiniert, was viele Hände in vielen Stunden aufgebaut haben – es braucht jetzt auch noch viele Hände, um den Schaden zu reparieren, oder im schlimmsten Fall den Sperrmüll zu entsorgen, der einst ein schönes Projekt war. Selbst wenn nichts mutwillig zerstört wurde: die Vermüllung von Beeten, Bänken, was auch immer man baut, frustriert enorm.
Es reicht ein grundsätzlich anständiger Mensch mit einem sehr, sehr schlechten Tag.
Frusttoleranz kann man nur langsam lernen; vielleicht hilft es, sich klar zu machen, dass nicht das ganze Viertel Idioten sind (nur weil „die alles Schöne immer sofort kaputt machen”) – es braucht nicht einmal einen einzigen Vollzeit-Idioten, es reicht ein grundsätzlich anständiger Mensch mit einem sehr, sehr schlechten Tag. Sich das vor Augen zu halten ist vielleicht ein Stück weit Selbstbetrug, aber es hilft. Sehr filigrane Dinge werden im öffentlichen Raum aber immer nur an bestimmten Orten überleben; dazu sind einfach zu viele Menschen unterwegs.
Regelmäßige Kontrolle verhindert mit etwas Glück viele Reparaturen
Was noch hilft: sich genau anschauen, was wo/wie kaputt gegangen ist – und die Konstruktion verbessern. Das hat viel mit handwerklichen Fähigkeiten zu tun: holt euch Rat, recherchiert, schaut euch an, wie andere es gemacht haben. Schaut euch an, wie die Bänke und Beete der Stadtverwaltung gebaut sind, die schlagen sich schon länger mit dem Problem herum. Sucht aber dann nach schöneren Lösungen – der Stadt ist Haltbarkeit oft wesentlich wichtiger als Schönheit, leider. Kontrolliert eure Projekte regelmäßig: oft kann man einen größeren Schaden vermeiden, wenn man einen kleinen Riss frühzeitig erkennt, und die Konstruktion dort verstärkt.
Moralische Verantwortung habt ihr ohnehin für euer Handeln – setzt euch gelegentlich in einer ruhigen Minute zusammen und überlegt, ob euer Projekt immer noch zum „Guten” beiträgt: erfüllt ihr die Ziele, für die ihr mal angetreten seid? Soziale Verantwortung ist das Gegenstück zu Vertrauen. Steht für das, was ihr tut, gegenüber den Leuten, die es betrifft gerade. Bei den Dingen, auf die ihr stolz seid, fällt das leicht. Wenn ihr mal etwas gemacht habt, worauf ihr weniger stolz seid, müsst ihr wohl oder übel in den sauren Apfel beißen und euch entschuldigen.
Manchmal kann auch „niemand“ verantwortlich sein – aber nur, solange nichts passiert!
Interessant ist die rechtliche Verantwortung. Bis zu einem gewissen Grad kann es bei Aktionen im öffentlichen Raum sinnvoll sein, die Verantwortung zu verschleiern: Wenn man für ein Blumenbeet keine Genehmigung kriegt, kann es natürlich trotzdem auftauchen, und solange kein Name dran steht, ist auch kaum nachzuweisen, wer für die Errichtung verantwortlich ist. Euch muss aber klar sein, dass das Ordnungsamt nicht blöd ist und meistens durchaus weiß, wer dafür verantwortlich ist – solange alles gepflegt ist, kann es aber sein, dass die Erklärung „Die Verantwortlichen waren nicht ausfindig zu machen” für sie so bequem ist wie für euch. Das funktioniert aber natürlich nur so lange, wie keinem ein Schaden entsteht!
Wenn eine Person die Verantwortung übernommen hat darf niemand sie im Regen stehen lassen!
In den meisten Fällen werdet ihr jedoch nicht umhin kommen, eine*n Verantwortliche*n zu benennen – schon allein, weil es ja auch meistens kein Problem ist. Stellt sicher, dass die Person „greifbar” ist: Wenn die einzige Person, die unterschreiben darf, für 7 Monate in Peru ist, wird es schwierig. Und stellt sicher, dass die Person voll hinter dem Projekt steht: Nichts ist unangenehmer, als für etwas die Verantwortung übernommen zu haben, das man nur so semigut findet! Das heißt auch, dass der/die Verantwortliche im Zweifelsfall ein Vetorecht hat!
Zu guter Letzt: Wer die Verantwortung übernommen hat, kann als einzige*r nicht einfach abtauchen. Wenn das Event vorbei ist, alle müde sind, heimgehen, dringend für eine Prüfung lernen müssen, was auch immer, muss der/die Verantwortliche aufräumen – notfalls auch allein. Er/sie ist kann nicht einfach in der Versenkung verschwinden und solange das so ist, sollte klar sein, dass man ihn/sie nie damit hängen lässt!
Ihr seid sicher nicht die einzigen, die in eurer Stadt aktiv sind, und bundesweit auch sicher nicht die ersten mit eurer Idee. Vernetzt euch, lernt die anderen kennen, lernt aus ihren Fehlern und lasst sie an euren teilhaben! Überregional geht es vor allem um Erfahrungsaustausch – aber oft ist es auch nur toll zu sehen, dass man mit seiner Idee nicht alleine ist. Und vor Ort kann man viel von anderen Aktiven profitieren, auch wenn man unterschiedliche Projekte macht. Das hat auch ganz handfeste Vorteile: die Kosten für ein Fest können dramatisch sinken, wenn ihr wisst, welches Projekt euch eine Bühne leihen kann, wer noch eine Anlage rumstehen hat und wer euch für ein einige Tafeln Schokolade ein paar Lampen zur Verfügung stellt. Und ein längst totgeglaubtes Projekt kann doch noch realisiert werden, weil eine andere Gruppe am anderen Ende von Deutschland eine kreative Lösung für ein Problem mit der Baunutzungsverordnung gefunden hat.
Vertrauen ist die beste Währung, die ihr kriegen könnt. Nach innen setzen wir einfach voraus, dass ihr euch untereinander vertraut; schwieriger ist es mit dem Vertrauen von außen. Alternative Projekte stoßen mindestens am Anfang oft auf Misstrauen – zu unvertraut, zu neu, zu seltsam. Dabei steht kaum je der Verdacht im Raum, dass wir (oder ihr) aktiv jemandem schaden wollt. Statt dessen wird befürchtet, dass ihr ein Chaos anrichtet und dann plötzlich weg seid. Das beginnt bei den Nachbar*innen und Hausmeister*innen, die Angst haben, dass ihr euch jetzt eine Saison lang um eure Urban-Gardening-Beete kümmert und sie die traurigen Reste im nächsten Frühjahr wegräumen müssen. Worauf sie verständlicherweise wenig Lust haben. Und es reicht bis zur Stadtverwaltung und Fördermittelgeber*innen, die Angst haben, dass sie für ihre Gelder keine vernünftige Abrechnung oder Spendenquittung bekommen.
Vertrauen entsteht durch Langfristigkeit, Transparenz und Verlässlichkeit: lasst jede Fläche, auf der ihr arbeitet in tadellosem Zustand zurück. Gebt jedes Werkzeug ungefragt und sofort zurück, ersetzt, was kaputt gegangen ist (geliehene Autos, Kettensägen, Rasenmäher immer nachtanken!). Geht offen um mit euren Zielen, Plänen und Ideen, damit die Nachbar*innen sich nicht überrumpelt oder für fremde Zwecke missbraucht fühlen. Macht eure Abrechnungen pünktlich und gründlich; seid verlässliche Partner*innen, von denen jede*r weiß: Ihr lasst sie nicht im Regen stehen!
(Oft auch Verkehrssicherungspflicht genannt)
Offen gesagt ist Wegesicherungspflicht der Feind. Irgendwo wird sie sicherlich ihre Berechtigung haben, aber in der Praxis hat sie zumindest uns vor allem Schwierigkeiten bereitet.
Wegesicherungspflicht bedeutet, dass der/die Besitzer*in (Eigentümer*in, Pächer*in, evtl. auch Mieter*in) eines Grundstücks oder Hauses rechtlich dafür verantwortlich ist, dass dort keine Gefahrenquellen für Dritte (also andere Nutzer*innen) vorhanden sind. Anders gesagt: sobald jemand sein Grundstück für Andere öffnet, ist die Person (bis zu einem gewissen Grad) haftbar, wenn sich jemand dort verletzt. Viele Eigentümer*innen reagieren darauf sehr simpel: Aus Angst vor rechtlichen Risiken sperren sie ihr Grundstück ab, so dass niemand es betreten oder nutzen darf. Manchmal entstehen so ökologisch wertvolle Brachen, oft auch nur ungenutzte, weil unnutzbare Brachen.
Im Namen aller Stadtmacher*innen: Verklagt bitte nicht automatisch Alles und Jede*n!
Wegesicherungspflicht ist eine gesetzliche Vorschrift, dementsprechend wenig Einfluss hat man darauf. Unser Umgang damit: Wenn eine*e Eigentümer*in nicht daran denkt – weist ihn/sie nicht darauf hin, weckt keine schlafenden Hunde, schafft keinen Anlass zu Sorgen. Baut/pflanzt so, dass daraus kein Risiko für andere entsteht. Nutzt euren gesunden Menschenverstand und lasst euch nicht von einer genialen Idee zu etwas Dummen hinreißen (es sei denn, sie ist wirklich, wirklich, wirklich gut – dann vielleicht). Verletzt euch nicht und im Namen aller Stadtmacher*innen: Verklagt bitte nicht automatisch Alles und Jede*n, wenn ihr euch auf einer umgenutzten Brache das Knie aufkratzt.
Wie ihr vermutlich gemerkt habt: Wir sind keine Jurist*innen. Wenn ihr mit eurem Projekt „hart am Wind segelt” bzw. in eine Grauzone kommt, holt euch echten juristischen Rat, das ist weniger teuer als man denkt. Auf unsere Aussage könnt ihr euch in jedem Fall nur bis zu einem gewissen, sehr kleinen Grad verlassen!
Weiterführende Links:
Was ihr an Werkzeug braucht, hängt von eurem Projekt ab. Was sich sagen lässt: es lohnt sich, eine Art Lager/Werkstatt zu haben – auch wenn das automatisch zu den immer währenden, bei allen Projekten identischen Ordnungsdiskussionen führt.
Schaut, was ihr selbst, Freunde, Nachbar*innen oder Verwandte an Werkzeug haben. Aber gerade wenn ihr es öfter braucht: lieber selbst kaufen, als Gefälligkeiten überstrapazieren. Und Werkzeug immer ungefragt und in tadellosem Zustand zurückgeben! Wenn ihr ein langfristiges Projekt plant, lohnt es sich, zumindest bei dem Werkzeug, das man immer braucht, ein paar Euro mehr zu investieren und hochwertige Dinge zu kaufen.
Material: Versucht, einen guten Kontakt zum nächstgelegenen Baumarkt zu bekommen, denn manchmal sponsert dieser bauliche Projekte in der Umgebung. Falls es in der Nähe Gewerbe, vor allem kleine Betriebe gibt, solltet ihr dort auch einmal vorstellig werden: oft fallen dort Dinge ab, die ihr brauchen könnt (Paletten, Verschnitt, alles Mögliche). Manchmal ist es auch pures Gold wert, kurz deren Infrastruktur nutzen zu dürfen – etwa den Gabelstapler oder die große Bandsäge (s. Akteure).
Im Verlauf eures Projektes werdet ihr unglaublich viele Dinge zum ersten Mal machen.
Dazu kommen die Fähigkeiten, die ihr alle (und eure Freunde, Bekannten, Verwandten und alle, die ihr sonst noch um einen Gefallen bitten könnt) mitbringt. Versucht, ein bisschen Kartei zu führen, wer was kann: wer kann Grafik, wer macht gute Fotos, wer hat schon drei Veranstaltungen angemeldet? Wer kann Dinge bauen, wer kann Elektrik? Lernt voneinander, und traut euch selbst etwas zu; im Verlauf eures Projektes werdet ihr unglaublich viele Dinge zum ersten Mal machen.
Neben den Skills gibt es auch bestimmte „offizielle Lizenzen”: Wie gut jemand mit Elektrik ist, ist egal – bestimmte Dinge darf nur ein*e offiziell zugelassene*r Elektriker*in mit Meisterbrief machen. Auch da lohnt es sich, ein wenig Kartei zu führen, wer wen kennt – nur muss euch klar sein, dass ihr diese Gefallen nicht überstrapazieren dürft! Immer nett mit einem Getränk/Schokolade bedanken, und die Firmen, die euch unterstützen, fragen, ob sie auf eure Website/Flyer wollen.
Seid euch bewusst, dass ihr, Anwohner*innen, Akteure und Stadtverwaltungen möglicherweise ganz unterschiedliche Zeithorizonte habt. Gerade Gruppen von jungen Menschen und Studierenden sind oft fluide: Sie entwickeln schnell ein großes Potential, möchten schnell viel bewegen, entwickeln sich aber möglicherweise auch wieder auseinander. Redet mit euren Partner*innen darüber, was in den nächsten Wochen/Monaten/Jahren realistisch passieren kann und soll – gerade Stadtverwaltungen können oft nicht innerhalb weniger Wochen (oder gar Tage!) agieren. Und überlegt euch auch, mit welcher Zeitschiene ihr selbst arbeitet: Wenn ihr eine Brache zum Garten machen wollt – wollt ihr dann auch die sein, die die Fläche dauerhaft pflegen? Wollt ihr ein dauerhaftes Projekt realisieren oder etwas starten, das im Zweifelsfall auch wieder endet?
Starter*innen und Macher*innen
Bei vielen Projekten gibt es die „Starter*innen” und die „Macher*innen”: die, die mit hohem Zeitaufwand und bewundernswertem Engagement das Projekt gegen alle Widerstände aus dem Boden gestampft haben, sind dann oft gar nicht die, die es durch die langen Mühen und Freuden des Alltags bringen. Oft gibt es nach den ersten paar Jahren einen Umschwung, wenn die “Starter*innen” weiterziehen, und es langsam an die „Macher*innen” übergeben. Blöd ist es nur, wenn es dann keine „Macher*innen” gibt: Manchmal realisiert eine Gruppe auch, dass eigentlich niemand der Mitstreiter*innen Lust darauf hat, das Projekt, das auf die Ewigkeit angelegt war, länger als ein paar Jahre zu machen.
Nicht jedes Projekt, das irgendwann endet, ist deshalb gescheitert
Eigentlich ist das nicht schlimm: wenn man auf einer Brache einen netten Garten anlegt, der nach ein paar Jahren wieder überwuchert, dann hatten ein paar Jahre lang alle einen schönen Garten – wenn das nicht der Mühe wert ist! Doch oft läuft dieser Moment weniger harmonisch ab, weil die Gruppe nie über ihren Zeithorizont geredet hat. Und dann stehen die letzten paar Mitstreitenden, die Verantwortung übernommen haben und deshalb nicht einfach aufhören können, frustriert und allein in dem Garten. Daher: redet frühzeitig und ehrlich über euren Zeithorizont und macht euch klar: nicht jedes Projekt, das irgendwann endet, ist deshalb gescheitert – stellt sicher, dass die Welt danach ein bisschen grüner und bunter ist, und ihr und alle Anderen die bestmögliche Zeit hattet!